»Klatschen allein genügt nicht!«

Pflegerin Olga Gottfried ist die feste Bezugsperson für eine neue Bewohnerin und bleibt das für deren gesamten Aufenthalt. (Foto: Jacqueline Wahlen)

Angesichts der Tatsache, dass immer mehr Pflegekräfte frustriert ihren Beruf aufgeben, weil sie sich den Anforderungen nicht mehr gewachsen sehen, sind Politik und Verantwortliche mehr denn je gefordert, diesem »Pflegenotstand« entgegenzutreten.

Wie kann die Attraktivität des Pflegeberufes gestärkt werden?

Insbesondere während der Corona-Epidemie ist der Ruf nach mehr Anerkennung für Pflegeberufe laut geworden. Hierzu gehört einerseits eine angemessene Bezahlung für die enormen Leistungen, die täglich in der stationären und ambulanten Pflege erbracht werden. Aber auch die Arbeitsbedingungen selbst sind oft verbesserungswürdig. Überlastung wegen zu wenig Personal und hoher Fluktuation macht die Arbeit in vielen Pflegeheimen nicht gerade attraktiv. Wie aber können die Arbeitsbedingungen so gestaltet werden, dass dieser Beruf wieder dem gerecht wird, was er für die meisten ursprünglich bedeutet hat: z. B. in puncto Hilfe und Fürsorge. Wo bleibt neben der, oft in Minuten getakteten körperlichen und medizinischen Pflege, bei ständig unregelmäßigen Wechselschichten die Zeit für zwischenmenschliche Beziehung und ganzheitliche personenbezogene Betreuung? Viele Pflegefachkräfte beklagen das. Wie kann man hier andere Rahmenbedingungen schaffen?
Dass es auch anders geht, zeigt das Betreuungskonzept des Hauses Kleineichen.

Arbeiten im Schichtsystem – mit ausreichend freien Tagen

Die Mitarbeiter von Haus Kleineichen lieben ihr Schichtsystem. Die meisten haben sogar genau deswegen hier angefangen. Sie haben regelmäßig freie Tage, was in der Pflege sehr selten ist. Es arbeiten zwei Gruppen im Wechsel je zwölf Stunden (mit zwei Stunden Pause). Wobei die erste Gruppe fünf Tage und zwei Tage, die zweite Gruppe vier Tage und drei Tage arbeitet. Also z. B. in der einen Woche Gruppe 1 von Samstag bis Mittwoch (5 Tage) und Gruppe 2 von Donnerstag bis Sonntag (4 Tage). In der darauffolgenden Woche die Gruppe 1 von Montag bis Dienstag (2 Tage) und die Gruppe 2 von Mittwoch bis Freitag (3 Tage), usw. 
Nachts werden die Bewohner von Dauernachtwachen betreut. Diese sind in zwei Gruppen mit ­jeweils einer Woche Dienst und einer Stunde Pause täglich eingeteilt. Ein Tag in der Woche sowie jedes zweite Wochenende ist garantiert dienstfrei.

Das System der Bezugspflege gibt den Bewohnern Sicherheit

Bewohner, die schon seit über 30 Jahren hier wohnen, und Mitarbeiter, die bereits fast genauso lange hier arbeiten, bezeugen ein gut funktionierendes und ausgeglichenes System, das keinen überfordert.
Die Arbeitsform in den Wohnbereichen gestaltet sich wie folgt: Jeder Bewohner hat eine feste Bezugsperson, die ihn während seines Aufenthaltes im »Haus Kleineichen«, mindestens jedoch für sechs Monate, pflegerisch begleitet und persönlich betreut.
Jeder Bezugsperson für Pflege und Betreuung werden Pflegeassistenten (Pflegehelfer) zur Unterstützung zugeteilt. Auch die Auszubildenden sind ein Teil dieses Bezugspflegesystems.

Pflegefachliche Schwerpunkte

»Ganzheitliche Betreuung« bedeutet hier Pflege für jüngere und ältere Menschen. Der in der Einrichtung betreute Personenkreis hat sich im Laufe der Geschichte des Hauses mehrfach verändert. Waren es zu Beginn »klassische Altenheimbewohner«, wandelte sich der Personenkreis insbesondere mit der Hinwendung zu gerontopsychiatrisch veränderten Persönlichkeitsbildern. Es wurden auch verstärkt Bewohner aufgenommen, die in Landeskliniken lebten oder behandelt wurden und häufig wesentlich jünger als die durchschnittlichen Heimbewohner waren. So wurde dem zunehmend starken Bedarf in der Region Rechnung getragen.
Nach dem Konzept des Hauses Kleineichen soll das Leben im Heim (Innenwelt) so viel wie möglich vom Leben draußen (Außenwelt) widerspiegeln. Wie im normalen Wohnumfeld auch, bietet das Heim einen Wohnort für mehrere Generationen aus den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppierungen und mit den unterschiedlichsten Biographien.
»Dies macht unter anderem den besonderen Reiz dieser Einrichtung aus. Wir begreifen uns nicht als Endstation Altenheim, sondern versuchen dem Einzelnen, unterstützt durch unseren Rahmen neue Entwicklungsmöglichkeiten oder, wie beim Personenkreis mit Suchtproblematik, einen Neuanfang zu bieten. Wir scheuen uns dabei nicht vor sogenannten ›schwierigen Fällen‹, wenn wir auf der Grundlage der (Kranken)-Geschichte Handlungsmöglichkeiten sehen …«, sagt Jacqueline Wahlen, stv. Einrichtungsleitung des Hauses Kleineichen.

 

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